Mahnen heißt: Erinnerung wachhalten!

Mit einer eindrucksvollen Aktion gedachten am Abend des 9. Novembers viele Schülerinnen der Q 2 zusammen mit den Aktivistinnen und Aktivisten der Pax Christi Gruppe Düren-Lendersdorf den Ereignissen von 1938.

In eindrücklichen Textbeiträgen wurden Bezüge zum außergewöhnlichen Stelen-Mahnmal in Düren hergestellt. Außerdem wurden Augenzeugenberichte vom 9. bzw. 10. November 1938 verlesen. In einer symbolischen Aktion legten die Beteiligten beschriftete Erinnerungssteine, wie man es aus dem Judentum kennt, an der Stele nieder.

Alle Teilnehmer waren sich einig, wie wichtig es in einer Zeit gesellschaftlicher Polarisierung ist, auf das gemeinsame Fundament von Demokratie, Menschenrechten und offener Gesellschaft zu verweisen, um Ähnliches wie 1938 nie wieder möglich werden zu lassen. Insgesamt freuten sich die Veranstalter über mehr als 50 Teilnehmer, die an diesem Abend den Weg in den „stillen Winkel“ an Thuirs Mühle nach Lendersdorf gefunden hatten.

Es folgt ein Text, der am Abend von Schülerinnen vorgetragen wurde:

Eine Stele ist ein hoher freistehender, monolithischer Pfeiler, meistens aus Stein. Stelen dienten seit der griechischen Antike oft als Grabmal oder auch als Inschriften– oder Grenzstein.

So steht es in einem Lexikon. 2711 Stelen markieren das zentrale Mahnmal der Bundesrepublik Deutschland im Herzen Berlins, das an die Ermordeten des Holocausts erinnert.

10 Stelen, sind es hingegen nur in Düren, verwirklicht vom Künstler Ulrich Rückriem und aufgestellt in den Jahren 1988 bis 1990. Sie sind dezentral aufgestellt an den Orten, an denen in Düren Unrecht geschah.

Der verwendete Granitstein stammt aus einem Steinbruch, den schon die Nationalsozialisten für ihre pompösen Parteitagsbauten in Nürnberg nutzten.

Die 10 Stelen unterscheiden sich in ihrem Aussehen. Unterschiedliche Spaltungen hat der Künstler eingearbeitet. Jede Stele ist somit einzigartig.

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I: Aber was spricht dieser Stein zu uns? Oder ist er stumm und will unseren Alltag anhalten, uns gar provozieren?

II: Rau, kalt, drohend, unnahbar – so steht diese Stele vor mir. Was will sie mir sagen? Warum ist sie so schlicht? Gibt es irgendwo eine Erklärung?

I: Rau war das Klima zwischen den Menschen nach 1933. Das Regime erzog zur Denunziation, wer nicht mitmachte, bekam die Härte des Unrechts zu spüren.

Ausgeschlossen aus der sogn. Volksgemeinschaft, waren von vornherein diejenigen, die den Kriterien des sogn. völkischen Staates nicht entsprachen: Oppositionelle, Nonkonforme, von den Nazis als Gemeinschaftsfremde diffamiert, aber vor allem Juden. Im völkisch-rassischen Weltbild hatten Juden keinen Platz. Stufenweise begannen Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung. Die allermeisten wurden von 1941 an deportiert und ermordet.

II: Kalt und drohend blickt der Stein auf mich herab. Ich wirke klein und schwach.

III: So war das Menschenbild der Nationalsozialisten: Der Einzelne war nichts. Ein Rädchen in einem unmenschlich agierenden Getriebe. Diejenigen, die sich bewusst entgegenstellten, wurden verfolgt. Der jüdischen Bevölkerung wurde schon seit den ersten Verhaftungen im Februar 1933 im Zuge des Reichstagsbrandes signalisiert: Ihr seid Unerwünschte. Was für Hunderttausende Heimat war, wurde zur kalten und unmenschlichen Umgebung, die viele versuchten, zu verlassen.

I: Ich halte inne, wenn ich an dieser Stele vorüber gehe. Ich kann nicht vorüber gehen, ohne mich mit ihr auseinanderzusetzen. Was bedeutet dieser Stein, warum hat er diese eingemeißelten Spaltungen. Er unterbricht meinen Alltag, er provoziert mich. Muss dieser hässliche Stein hier stehen?

II: Ja, er muss hier stehen. Er weist auf die Täter. Hier ist Unrecht geschehen, hier provoziert er uns, die wir mit dem „Weiter so.“ oder dem „Kann das denn niemals aufhören?“ beschäftigt sind. Nein, das Verbrechen an den europäischen Juden darf nicht in Vergessenheit geraten. Es fand auch hier statt. Stellvertretend für viele Ort steht auch diese Stele in Düren- Lendersdorf.

III: Und mehr noch steht der Stein für die Opfer. Die Stele mahnt uns: Vergesst die Opfer nicht. Deswegen ist die Stele unbequem, sie ist schroff und scharfkantig. Sie schneidet sich in unser Bewusstsein. Sie kommt nicht altklug daher, will uns nicht belehren. Sie sagt nicht: „So war das. Seid froh, dass ihr heute lebt und nicht damals.“ Sie sagt vielmehr: „SEID WACHSAM“, „TUT ETWAS“, „STEHT AUF“ immer dann, wenn Unrecht und Diskriminierung, Hass und Verschwörungstheorien am Werke sind.